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Der «Restrukturierten» Panettone


Der Bäcker rät: «Mit einem Gläschen Brachetto geniesst es sich am besten! Aber natürlich schmeckt mein Panettone ‹ristrutturato› auch mit Kaffee, Tee oder Prosecco.» Ich, Davide, bevorzuge ein Glas Prosecco dazu!


Sie fragen sich vielleicht, aus welchem Grund der Novartis Angestelltenverband NAV einen Artikel über Panettone schreibt. Eine rasche, aufrichtige und unmittelbare Antwort wäre: «Wir möchten unseren Mitgliedern das Beste geben, indem wir ihnen im Rahmen unserer Möglichkeiten stets das Beste geben wollen!» Das ist unsere DNA. Ihre Rechte, Ihre Stimme und Ihre Vorteile sind uns sehr wichtig. Aber was hat das bitte mit Panettone zu tun?



Als ich in meiner Funktion als interner Personalvertreter Mitte März in meinem Büro am Schreibtisch sass und unzählige Dokumente über eine weitere Umstrukturierung las, bekam ich einen Knoten im Hals und dachte an all diejenigen, die davon betroffen sein würden. Ich benötigte eine Pause und etwas, das mein Herz erwärmte. Eine Freundin hatte mir gerade eine kleine Colomba – das Basisrezept ist dasselbe wie bei einem Panettone – zum Probieren mitgegeben. Sie sagte, man brauche nicht nach Italien zu fahren, um guten Panettone zu essen. Für seine Mitglieder hatte der NAV nämlich im vergangenen Jahr Panettoni aus Italien importieren lassen.



Dieser Panettone jedoch kam aus St. Gallen, von Bäckermeister Pietro Cappelli. Die Freundin war nicht nur in die Ostschweiz gefahren, um ihn zu kaufen, sondern sie war auch bereit gewesen, in einer langen Schlange zu warten, um ihn tatsächlich zu bekommen.



Nun gut, sagte ich mir, es ist an der Zeit, diesen zu kosten, und da ich im Büro keinen Prosecco trinken darf, beschloss ich, mir einen Cappuccino zu machen.



Ja, am Nachmittag, wie mir meine deutschen Freunde beigebracht hatten. Denn man kann auch nachmittags einen Cappuccino trinken, und ich muss zugeben, dass er auch dann noch immer gut schmeckt.



Aber zurück zum Panettone, genauer zur Colomba, die immer noch auf dem Tisch lag, diesmal in Begleitung des Cappuccinos. Ich werde Ihnen nicht verraten, was ich beim Degustieren fühlte, aber was ich Ihnen sagen kann, ist, dass ich sofort Pietro Cappellis Telefonnummer ausfindig machte.



Ich wählte seine Nummer und überraschenderweise nahm er persönlich den Anruf entgegen. Ich sagte ihm, ich wolle ihn treffen, und lud ihn nach Basel auf den Campus ein. Pietro war sehr überrascht und zögerte, die Einladung anzunehmen. Er sagte mir, er habe viel Arbeit und sein kleines Unternehmen werde nie riesige Mengen Panettone herstellen können. Sicher dachte er an die zehntausend Novartis-Mitarbeitenden und mögliche Bestellungen.



Ich lächelte vor mich hin und antwortete, dass ich niemals zehntausend Panettone bestellen werde, aber sicherlich würden es einige Leute zu schätzen wissen, wenn sie nicht nach St. Gallen reisen und sich in die Schlange stellen müssten, um seinen preisgekrönten Panettone zu probieren.



Und ja, das ist es, wovon wir sprechen: Gold für den besten Panettone der Schweiz. Denn Pietro Cappelli, der berühmte St. Galler Bäcker, der seit vielen Jahren für seine Erfolge bekannt ist, hat eine Kundschaft, die sogar aus Österreich anreist, das bestätigte er mir persönlich.



Morgens, wenn es in der Linsebühlstrasse 80 in St. Gallen nach frischem Brot duftet, stünden die Leute vor der kleinen Bäckerei Schlange, heisst es, dort wo Pietro und seine Frau mit Leidenschaft das ganze Jahr über ihre Panettoni backen.



Der sympathische Bäckermeister, der übrigens perfekten St. Galler Dialekt spricht, führt dort seit fast 40 Jahren seinen Betrieb. Es ist mir tatsächlich gelungen, ihn vom guten St. Galler Geruch weg nach Basel zu locken, wo in noch gar nicht so ferner Vergangenheit nicht der Duft nach frischem Panettone, sondern unangenehme Chemiegerüche vor allem durchs Klybeck wehten. Nun ja, Pietro hat mir einige Wochen nach unserem ersten Kontakt telefonisch bestätigt, er werde nach Basel kommen. Diese Nachricht erfüllte mich mit grosser Freude, denn es würde mich meinem Ziel, das ich Ihnen noch nicht verrate, ein Stück näher bringen.



Er betritt den Campus und sobald ich ihn sehe, erinnert er mich an den Weihnachtsmann, nicht weil er einen weissen Bart trägt, sondern weil er eine riesige Menge Panettone mitbringt, ein gutes Dutzend Sorten. Ich muss Pietro jedoch eingestehen, dass ich die zeitlose klassische Variante bevorzuge. Das Rezept lautet: Mehl, Butter, Eigelb, Wasser. Alles mit Mutterhefe geknetet. Pietro kann offen von seinem Produkt erzählen. Wie man es so gut wie er herzustellen versteht, weiss trotzdem keiner. «Zum Schluss werden noch kandierte Früchte und Sultaninen hinzugefügt. Das ist der klassische Panettone», erklärt er und schaut mich dann fragend an: «Du musst mir schon sagen, was ich hier auf dem Campus mache», und fügt hinzu, der Vater seines zukünftigen Schwiegersohns sei in Basel Arzt und habe ihm gesagt, er müsse unbedingt auf den Campus gehen, wenn er eine Einladung von Novartis erhalte.



Also war es mit meiner Überzeugungskraft doch nicht so weit her, muss ich zerknirscht zugeben, denke mir aber mit einem Lächeln im Gesicht: Danke, dem Basler Arzt! Indessen referiert Pietro über fruchtige, leichte Geschmacksrichtungen wie Mandarine oder Zitrone, wobei er jeden Panettone in die Hand nimmt, stolz auf sein Produkt, wie es sich gehört. Auch Winter- und Weihnachtsgeschmacksrichtungen wie Kastanie, Zimt oder Apfel-Zimt, aber auch Schokolade und Karamell sind das ganze Jahr über in seinem Sortiment vertreten. Und dann wiederholt er: «Du musst mir jetzt endlich sagen, wozu ich auf den Campus gekommen bin.



«Wir haben hervorragende Forscher» gebe ich zur Antwort, «akademische und nichtakademische, die sich täglich dafür einsetzen, Besonderes zu erreichen, um Menschen, denen es nicht gut geht, mit ausgezeichneten Medikamenten Gutes zu tun. Sie wollen, dass es ihnen besser geht. Auch du tust etwas Gutes für die Mitmenschen. Als ich deine Colomba gegessen hatte, ging es mir gleich ein wenig besser. Meine Sorgen gelöst hat sie nicht, aber in dem Moment hat sie mir gut getan. Ich erhielt die richtige Energie und Einstellung, um meine Arbeit fortzusetzen und damit anderen zu helfen.»



Und weiter: «Pietro, ich möchte, dass meine lieben Freunde in Basel, die mit so viel Engagement und Liebe arbeiten, trotz vieler Schwierigkeiten – dabei kamen mir die endlosen Restrukturierungen in den Sinn –, die Möglichkeit haben, einen Panettone zu geniessen, ohne anderthalb Stunden fahren und vor deinem Laden anstehen zu müssen. Sie alle haben in ihrem Arbeitsleben schon oft gewartet und sind quasi im Regen angestanden!»



Und plötzlich, vielleicht weil wir uns auf dem Campus befinden, der entworfen und gebaut wurde, um Menschen innovativ und kreativ zu machen, sagt Pietro: Wir werden einen Basler Panettone kreieren, und ich versuche, damit eine Medaille zu gewinnen.» Was aber macht einen Basler Panettone aus, fragen wir uns? «Nun, in Basel haben wir das berühmte Läckerli, wie wäre es, wenn wir einen Panettone mit einer leichten Läckerli-Note machen und ihn ‹Panettone Basilea› nennen?», werfe ich ein. Pietro will jedenfalls in seiner Backstube experimentieren, um das richtige Rezept zu finden, verspricht er mir.



Nun, liebe Leserin, lieber Leser, ich weiss nicht, ob Sie eines Tages den Panettone Basilea mit der Läckerli-Note probieren werden. Vorerst können Sie über den NAV einen klassischen Panettone bestellen. Er wird Ihnen bestimmt ein gutes Gefühl für die kleinen Dinge im Leben geben, wenn auch nur für einen Augenblick.


Vielen Dank, Pietro Cappelli!








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